"Deutschland ist Exportweltmeister" ist eine Satz, der in den Medien häufig darauf hinweisen soll, wie vorbildlich die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik funktioniert. Häufig ist dieser Satz mit der Forderung verbunden, dass die europäischen Schuldnerstaaten wie Griechenland, Spanien, Portugal etc. doch bitte endlich ihre "Hausaufgaben" machen sollen und die "notwendigen Reformen" durchführen sollen, die ihre Wirtschaftspolitik an die Deutsche angleicht.
In diesem Post möchte ich unabhängig davon, dass ich Nationalstaaten ablehne, darstellen, warum die einseitige Exportausrichtung der Wirtschaftspolitik auch Volkswirtschaftlich sinnlos ist.
Entstehung von Exportüberschüssen
Überschüsse in der Leistungsbilanz, wie sie in Deutschland seit einigen Jahren bestehen, beschreiben die simple Tatsache, dass im Land gesamtgesellschaftlich mehr exportiert als importiert wird. Ein Leistungsbilanzüberschuss kann also nur entstehen, wenn in anderen Ländern ein Leistungsbilanzdefizit besteht. So ist der große Überschuss der Bundesrepublik vor allem dadurch zu erklären, dass Produkte deutscher Firmen in andere Eurostaaten verkauft wurden.
Voraussetzung für den Verkauf von Waren im Ausland sind niedrige Produktionskosten im Inland. Niedrige Produktionskosten lassen sich prinzipiell auf zwei Arten erreichen. Zum Einen kann der Output eines/r Beschäftigten durch Investitionen in bessere Maschinen absolut erhöht werden. Da die Menge an Kapital pro Beschäftigten durch die Anschaffung einer besseren Maschine steigt, bezeichnet man diesen Prozess als Kapitalakkumulation. Zu dieser technologischen Aufrüstung ist jedes Unternehmen im Kapitalismus gezwungen, da es ansonsten seine "Wettbewerbsfähigkeit" verliert und früher oder später bankrott geht.
Da Kapitalakkumulation in Griechenland genau so schnell wie in Deutschland stattfindet, kann dies nicht der Grund für die geringeren Produktionskosten sein. Diese liegen vor Allem darin begründet, dass die realen Lohnkosten in Deutschland als Folge der Agenda 2010 in den letzten Jahren stagniert sind, während die Gehälter in anderen europäischen Ländern schrittweise nach Oben gingen. Davon profitierte die deutsche Exportindustrie nun gleich zweifach: Zum Einen sind vergleichbare griechische Produkte so teuer geworden, dass Produkte aus Deutschland auch nach Abzug der Transportkosten noch billig genug waren, um einen Wettbewerbsvorteil zu haben, zum Anderen gab es dank der hohen Löhne auch eine scheinbar unendliche Nachfrage nach diesen Produkten. Das deutsche Exportwunder brummte!
Die Folgen des Dumpingwettbewerbs
Deutsche Produkte, die in anderen Staaten wie Griechenland gekauft werden, stellen allerdings prinzipiell einen Kapitalabfluss nach Deutschland dar, da die Nachfrage nach inländischen Produkten im selben Maß zurückgeht, wie die Nachfrage nach Importwaren steigt.
Die Schulden, die die "Krisenländer" durch ihr Leistungsbilanzdefizit machten, waren zunächst vor allem im privaten Sektor, der als Antwort auf die absolut gesunkenen Lohnkosten in Deutschland nur die Möglichkeit der kreditfinanzierten Kapitalakkumulation hatte (Lohndumping war in diesen Ländern bis vor kurzen aufgrund höherer Sozialstandards und Mindestlöhnen nur eingeschränkt möglich). Erst durch die Bankenrettungen, die durch die Liquiditätsausfälle einiger Banken während der Bankenkrise nötig geworden waren, wurden diese Schulden verstaatlicht und haben zu den hohen Schuldenständen der "Krisenländer" geführt. Deutschlands aggressive Exportpolitik ist also eine der Hauptursachen der Schuldenkrise.
Was ist währenddessen im Inland passiert? Es ist unbestreitbar, dass die florierende Exportindustrie viele Arbeitsplätze im Inland geschaffen hat (ca. 1 Million Arbeitsplätze sind zwischen 2000 und 2005 in Exportbranchen entstanden). Diese Arbeitsplätze mussten jedoch, wie bereits oben erwähnt, schlecht bezahlt werden, damit die Produkte ins Ausland abgesetzt werden konnten. Dadurch ist die Binnennachfrage massiv zusammengebrochen, was in den inlandsorientierten Branchen Deutschlands im selben Zeitraum zu ca. 1,3 Millionen Arbeitsplatzverlusten geführt hat (offizielle Daten des statistischen Bundesamtes).
Der kontraktive Lohndruck, der durch die Erhöhung der Arbeitslosenzahlen entstanden ist, reduzierte die Nachfrage der Arbeiter_innen noch weiter. Diese hatten nun noch weniger Geld, um die Exporte deutscher Firmen durch Importe aus den südlichen Eurostaaten abzufedern, was die wirtschaftliche Situation dort tendenziell noch weiter verschlechterte.
Politische Konsequenzen
Die Europolitik Deutschlands versucht nun seit geraumer Zeit, das deutsche Sozialsystem auch in anderen Staaten durchzuboxen - mit durchschlagendem Erfolg. Griechenland hat laut Irischer Nationalbank Kürzungen in Höhe von 40% ihres BIP bereits durchgeführt, was sich wiederum negativ auf die Binnennachfrage ausgewirkt, das Land in eine tiefe Rezession gestürzt und die Staatsschulden sogar erhöht hat. Die Aushöhlung demokratischer Institutionen durch die Troika ist ein weiterer Effekt einer Internationalen Wirtschaftspolitik, in der den Gläubigerländern das alleinige Sagen und den Schuldnerländern die alleinige Schuld zugesprochen wird.
Dabei hätte es ganz anders kommen können. 1944 fand die Konferenz von Bretton-Woods statt, die das globale Finanzsystem für die Zeit seit dem 2. Weltkrieg ordnetet. Dort wurden Institutionen wie die Weltbank und der IWF, die die jetzige Schuldenpolitik zementieren, begründet. In Vergessenheit ist hingegen der Vorschlag von John Maynard Keynes, einem berühmten Volkswirtschaftler, der als Delegierter von Großbritannien an der Konferenz teilnahm. Dieser schlug eine Weltwährung vor, in der alle internationalen Zahlungen abgewickelt werden sollten. Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite, die von dieser "International Clearing Union" registriert wurden, sollten nach einer gewissen Zeit gleichermaßen komplett nichtig werden. Verbunden mit Sanktionen für Überschussländer sollte dieser Mechanismus dafür sorgen, dass auch die Gläubigerländer Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung der Schuldnerländer übernehmen, indem sie eine Art Marshallplan entwerfen.
Des Weiteren waren feste Wechselkurse im Plan enthalten, die bei gleichzeitiger unabhängiger nationaler Zinspolitik den internationalen Kapitalverkehr begrenzen sollten.
(Diese Beschreibung der ICU ist sicherlich sehr verkürzt und aufgrund der Tatsache, dass ich mich erst seit Kurzem damit beschäftige, vermutlich noch mit einigen Fehlern behaftet. Wenn ich mich komplett verrannt haben sollte, teilt es mir bitte mit. Wer sich noch weiter über den Plan von Keynes informieren will findet hier eine gute Zusammenfassung)
Ich halte den Keynesianischen Plan zumindest für besser als das jetzige Weltfinanzsystem, in dem globaler Wettbewerb und damit quasi unbegrenzter kontraktiver Lohndruck herrscht. Als systeminterne Lösung ist aber auch dieser Vorschlag nur ein Bekämpfen der Symptome des kapitalistischen Wachstumsdrucks, der jedoch keineswegs in Frage gestellt wird. Angesichts der Tatsache, dass eine Entkopplung des weltweiten Ressourcenverbrauchs vom Wirtschaftswachstum unwahrscheinlich ist und Wirtschaftswachstum selbst bei 100%iger Wiederverwertung von Ressourcen schlussendlich zu einer unendlichen Umlaufsgeschwindigkeit von Waren führen muss, halte ich eine solche Wachstumskritik jedoch für dringend geboten. Darauf möchte ich in diesem Text jedoch nicht genauer eingehen, da eine Analyse der Wachstumsproblematik den Rahmen dieses Textes sprengen würde. Meine Intention war lediglich, zu zeigen, dass die deutsche Exportfixierung selbst unter Zugrundelegung nationalökonomischer Maßstäbe sinnlos ist.
Freitag, 31. August 2012
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Total verrannt kann man nun nicht sagen - Sie haben das eigentliche Problem nur nicht umrissen.
AntwortenLöschenUnd der Vorschlag einer weltweiten Währung ist in der Tat etwas unrealistisch, weil damit mindestens ebenso viele und gewaltige Probleme generiert wie beseitigt würden.
Das weltweite Problem besteht darin, dass die Industrienationen, die reichen Nationen, die westlichen Nationen, die Weltwirtschaft beherrschen und die dort vorhandenen Kapitalströme konzentrieren.
Kurzum:
Die Konzentration des Kapitals!
Lässt sich das beweisen?
Ja, durch die stete Zunahme von einerseits Milliardären, Kapitalgesellschaften und deren Kapital sowie Kapital-Fonds und andererseits die sinkende Kaufkraft der statistischen Durchschnittsverdiener (und auch pro Kopf) in sehr vielen Industriestaaten sowie der wachsenden "Schere" zwischen Arm und Reich.
Dabei entfällt ein guter Teil des weltweiten Armutswachstums schlicht auf die Zunahme der Weltbevölkerung.
Auf jeden Fall werden gewaltige Kapitalströme weltweit immer klarer in die Taschen einiger weniger Profiteure gelenkt.
Viele Kapitalgesellschaften (Shell, General Electric, etc.) haben schon lange einen jährlichen Gewinn vor Steuern der den meisten Nationen dieser Welt den blanken Neid abverlangen müsste!
Nun könnte man die Leitwährungen massiv und unangekündigt abwerten um den System-Profiteuren wenigstens die Einkommens-Spitzen zu beschneiden.
Das geht aber nicht, da die System-Profiteure längst das Sagen über die kontrollierenden Organe haben (Beispiele: die FED ist im Besitz privater Banker; multimilliardenschwere Scheichs stellen in Personalunion auch die Regierung ihres Landes).
Zur Verdeutlichung der Systematik von Werten:
Wenn ich Millionär bin und Sie sind auch Millionär - warum sollte ich dann für Sie Arbeiten verrichten?
Wenn ich Millionär bin, müsste es also auch Menschen geben, die arm sind - denn sonst ist mein ganzes Geld nichts wert.
Bei der momentanen unglaublichen Konzentration des Kapitals muss es also Milliarden von Menschen geben, die fast nichts haben dürfen - damit meine Millionen-Werte auch einen Wert haben.
Momentan versuchen also die reichsten der Reichen die Währungen dieser Welt abzuwerten ohne das ihr eigenes Vermögen an Wert verliert.
Wie geht so etwas?
Ganz einfach:
Denken Sie mal an die "Rettungspakete für Griechenland"; das waren in Wirklichkeit doch Spenden für arme Banken!
Da man den Armen dieser Welt nicht gefahrlos noch mehr wegnehmen kann, werden einfach die Staaten hoffnungslos verschuldet - zugunsten der Reichsten der Reichen.
So kann man noch einige Jahre seinen Reichtum ausleben - bis die Massen irgendwann dahinter kommen oder die Belastung für die Menschen durch Steuern so hoch wird, dass die Armen dann doch rebellieren.
Entschuldigen Sie bitte die logischen Sprünge und die Vereinfachungen - aber detaillierter hätte eine Erklärung mindestens noch viele Seiten in Anspruch genommen.