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Dienstag, 11. September 2012

Fiskalpakt die Zweite

Liebe Leser_innen: der folgende Beitrag stammt aus einer grünen-internen Diskussion über den Fiskalpakt. Ich habe mich entschlossen, meinen Beitrag zur Diskussion hier auch öffentlich zu machen (von wegen Transparenz und so...). Viel Spaß beim Lesen:

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Liebe Freund_innen,

der Fiskalpakt ist ein schwieriges Thema, zu dem es keine einfachen Antworten gibt.

Grundsätzlich ist die Idee einer Schuldenbremse durchaus richtig. Schließlich ist es der Schuldendienst bzw. Die Zinslast, die den Sozialabbau weiter vorantreibt. Der Gedanke, dass der Staat sich von Privatmenschen Geld leiht und diese durch die Verschuldung der Öffentlichkeit Gewinne machen, kann sich nur negativ auf die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft auswirken. Die "Wachstumsmaßnahmen" die in den letzten Jahrzehnten auf Druck der Märkte unter dem Deckmantel des Schuldenabbaus beschlossen wurden, mögen durch Privatisierungen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse kurzzeitig für Primärüberschüsse gesorgt haben, belasten die öffentlichen Kassen rückblickend jedoch viel stärker (man denke an die Kosten der Bankenrettung).

Der Fiskalpakt ist allerdings genau nach diesem Gusto aufgebaut. Wenn eine Volkswirtschaft ein strukturelles Defizit von über 0,5% des BIP aufweist, treten die Bestimmungen des Fiskalpaktes in Kraft. Interessant ist dabei, dass die Definitionsmacht darüber, was als "strukturelles Defizit" zu betrachten ist, vollständig in den Händen einiger Volkswirte liegt. Wenn man bedenkt, dass ein Großteil aller Volkswirte neoliberal geprägt sind, ist klar, welche Staaten ein großzügiges "konjunkturelles Defizit" aufweisen dürfen werden.

Verstößt ein Staat gegen diese Obergrenze, werden automatische Korrekturmechanismen, die durch EU-Kommission und Euro-Gipfel, zwei nicht demokratisch legitimierte Gremien (!), kontrolliert werden, in Gang gesetzt, die die "Wettbewerbsfähigkeit" der Schuldenstaaten wiederherstellen sollen. Der immanente Sozialabbau kann nur durch eine Mehrheit im EU-Parlament wieder rückgängig gemacht werden, was angesichts der neoliberalen Hegemonie in Europa in den meisten Fällen sehr unwahrscheinlich sein sollte.

Was kann man also an der Schuldenbremse verändern, damit sie sozial verträglicher wirkt?
Zum Einen muss die Definitionsmacht über "strukturelle Defizite" gebrochen werden. Stattdessen sollte man den Blick auf die laufenden Kosten richten. Somit sind Investitionen, die in Zukunft Mehreinnahmen oder weniger Ausgaben versprechen, jederzeit möglich. Wenn sich diese Investitionen nicht auszahlen, taucht dies in den nächsten Jahren im Defizit auf. Niemand kann sich also durch Nonsense-Investitionen aus der Verantwortung stehlen.
Die Maßnahmen, die durch das Vertragswerk des Fiskalpaktes gefordert werden sollten, dürfen zudem nicht dem Paradigma "Wachstum" folgen, sondern müssen die Zielvorgabe "Verteilungsgerechtigkeit" beinhalten. Das bedeutet, dass die Staaten der Eurozone anerkennen, dass die Staatsverschuldung vor allem ein Problem der Einnahmeseite sind. Hier gilt es, durch Verbesserungen der sozialen Sicherungssysteme die Binnenkonjunktur zu stärken und einzelne Länder somit weniger Abhängig vom Weltmarkt und damit vom Öl (das für den Transport von Waren benötigt wird) zu machen. Dabei müssen vor allem auch Staaten mit großen Außenhandelsüberschüssen (z.B. Deutschland), die sich destabilisierend auf die Binnenkonjunktur anderer Länder (und damit auch auf die regionale Subsistenz) auswirken, in die Verantwortung genommen werden. Schließlich sind die Schulden der Einen die Vermögen der Anderen.
Vor allem aber müssen die Einnahmen aus verteilungsintensiven Steuern (Einkommen, Vermögen, Erbschaften) deutlich erhöht werden.

Es dürfte sich als schwer herausstellen, diese steuer- und sozialpolitische Konvergenz innerhalb des nationalstaatlichen Systems herzustellen. Ein veränderter Fiskalpakt, der quasi als "Sozialpakt" wirkt, könnte jedoch ein gutes Druckmittel für soziale Verbesserungen in den Mitgliedsländern sein.
Auf lange Sicht ist es jedoch unverzichtbar, eine demokratisch legitimierte europaweite Sozial- und Finanzpolitik zu etablieren, die einen unsozialen Verdrängungswettbewerb, wie Deutschland ihn führt, unmöglich macht.
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1 Kommentare:

  1. Schuldenbremse ... gedanklich zu spät dran!

    Sie schreiben, Ihr Artikel begründe sich auf eine "grüne" Diskussion um den Fiskalpakt.
    Da ist das erste gedankliche Problem:
    Die "Grünen" sind doch längst, in ihrer Führungsebene, in die Reihen der Systemgewinner aufgerückt - warum sollten die eine fruchtbare Diskussion um Veränderungen starten?

    Schuldenbremsen müssen gedanklich viel eher ansetzen:
    Bei der Ausgabe der Währung.
    Die BRD leiht sich beständig Geld - für das sie viele Zinsen zahlen muss.
    Die Zinszahlungen sind im Bundeshaushalt bereits der zweitgrößte Ausgabeposten.
    Wer hindert die BRD daran, bei Geldbedarf die Bundesbank mit dem Drucken von Geldern zu beauftragen?!
    Eigentlich niemand - aber dann verdienen die Banker natürlich erheblich weniger Geld.
    Inflation?!
    Klar, aber die Inflation entsteht auch wenn wir uns Geld von den Banken leihen.
    Nur, beim Umweg über die Banken fallen noch Zinsen zusätzlich an.

    Wie bereits zu einem anderen Artikel erklärt unterstützt das derzeitige Finanzierungssystem nur die Konzentration des Kapitals.
    Hört sich naiv und simpel an, ist aber immer und immer wieder korrekt:
    Derzeit verbessert jede Maßnahme gegen eine Kapitalkonzentration die Lebensumstände der nationalen Menschenmassen.
    Jede Maßnahme, die die Kapitalkonzentration unterstützt, verschlechtert die Lebensumstände der Vielen.
    Wenn ich ein jetziges System ausbeuten will, muss ich aus dem System Kapital herausziehen und konzentrieren - das ist zwangsläufig.
    Habe ich zuviel Geld und zuwenig Werte in einem System entsteht Inflation.
    Inflation ist eine staatliche Steuer, so wie die Mehrwertsteuer oder die Einkommensteuer!
    Derzeit gibt es weltweit, und auch in der BRD, zuviel Geld und zuwenig Werte.
    Geld muss also wieder vernichtet und Richtung Wertausgleich korrigiert werden.
    Da bereits die Hälfte der Europäer staatliche Leistungen beziehen, sei es auch nur Kindergeld, ist es nicht sinnvoll das Geld gleichmäßig aus der Bevölkerung abzuschöpfen - denn dann käme es zu Zuständen wie derzeit in Griechenland.
    Die Vernichtung von Geld kann also nur bei großen Kapitalansammlungen beginnen - oder ich akzeptiere eine Verarmung der untersten Einkommensschichten.
    Erst nach einem akzeptablen Ausgleich von Geldmenge und Werten, einer Reparatur der Währung also, kann eine Schuldenbremse funktionieren.
    Das weiß auch Hr. Schäuble und verschiebt unter großem Gelaber und scheinheiligem Getue die notwendigen Schritte auf St. Nimmerlein.
    Die Grünen hingegen geben sich volkswirtschaftlich sinnlosem Geschwätz hin und beruhigen sich mit dem alten Spruch: Schön, dass wir mal darüber geredet haben.
    Merke:
    Bremsen macht nur Sinn bei einem funktionierenden System!
    Schuldenbremsen machen nur Sinn bei einem funktionierenden Währungssystem!

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