Subscribe:

Blog Directory

Blogverzeichnis

Donnerstag, 27. September 2012

Anmerkungen zur grünen Vermögensabgabe

Eine Vermögensabgabe ist ein wichtiges Instrument zur Reduzierung der ansteigenden Ungleichheit der Vermögensverteilung in Deutschland. Die reichsten 10% der Bevölkerung besitzen laut dem aktuellen "Armuts- und Reichtumsbericht"  53% der Nettovermögen. Die Zeit für eine Umverteilung im großen Stil ist gekommen, was man auch am Aufkommen des großen Aktionsbündnisses "Umfairteilen" erkennen kann.
Umso erfreulicher ist es, dass die grüne Bundestagsfraktion als erste einen entsprechenden Gesetzesentwurf erstellt hat. Im folgenden möchte ich kurz darstellen, welche Teile des Gesetzes ich besonders gelungen finde und an welchen Teilen des Gesetzes ich noch etwas auszusetzen habe.
Da mein Lob die Kritik bei Weitem übersteigt, werde ich mit den negativen Punkten anfangen:

Kritikpunkte:

1. Die Steuerfreibeträge sind zu hoch angesetzt. Das DIW hat berechnet, dass eine Vermögenssteuer von 10% mit einem Freibetrag von 250.000€ (was damit ca. 8% der deutschen Bevölkerung betreffen würde) Einnahmen in Höhe von ca. 230 Mrd. € bringen würde. Das wären ca. 10% der deutschen Staatsverschuldung, womit die BRD immer noch mit ca. 80% des BIP verschuldet wäre und somit das Stabilitätsziel von 60% nicht erreichen würde.
Die grüne Vermögensabgabe ist hier noch weniger ambitioniert, da sie Freibeträge von 1 Mio. € plus 250.000€ pro Kind, das rechtlich kein Eigenvermögen verwaltet, fordern. Allerding muss auch erwähnt werden, dass der Steuersatz im grünen Modell 15% beträgt. Insgesamt sollte das aber nicht ausreichen, um das gebotene Maß an Umverteilung zu erreichen, da mit den jetzigen Freibeträgen wohl nur höchstens 2% von einer Besteuerung betroffen sein dürften. Die Ungleichheit der Vermögen ist jedoch nicht nur ein Problem bei den Superreichen. Auch der gehobene Mittelstand sollte zu einer Umverteilung hinzugezogen werden, wenn wir das Problem steigender Staatsschulden wirklich in den Griff bekommen wollen.

2. §14(2) setzt eine Härtefallregelung für Betriebsvermögen fest. Diese ist zweifelsohne wichtig, um eine Bestandsbesteuerung zu vermeiden. Bedenklich finde ich allerdings, dass der gestundete Betrag nach der zehnjährigen Einzugsperiode schlicht erlassen werden soll.
Hier wäre eine bessere und gerechtere Möglichkeit, den Betrag als Unternehmensanteile an die Beschäftigten (in Gestalt des Betriebsrates) zu überführen, sofern dies möglich ist. Somit würde die innerbetriebliche Demokratie deutlich gestärkt werden, während der Bestand des Betriebes selbst nicht gefährdet ist. Ich habe diese Idee in eine Diskussion um die Erbschaftssteuer aufgeschnappt und finde sie auch als Maßnahme bei einer Vermögensabgabe durchaus attraktiv.

Lob:

1. §9(4) ist die mit Abstand beste steuerpolitische Idee, die ich in den letzten Monaten zu lesen bekommen habe. Die degressive Ausgestaltung von Freibeträgen ist die beste Möglichkeit, kleinere Vermögen von der Besteuerung zu verschonen und somit auch Verwaltungskosten zu sparen, aber gleichzeitig den Vorteil, den große Vermögen durch diese Freibeträge haben, abzubauen.
Somit ist die Vermögensabgabe de facto progressiv gestaltet, was aus meiner Sicht gerecht und gut ist, da stärkere Schultern eine höhere Last zur Abbau der Staatsverschuldung, die ihnen Vorteile gebracht hat (Steuersenkungen, Bankenrettung, Ausbau des Niedriglohnsektors), tragen sollten.

2. §5 Bezieht Zweckvermögen wie Familienstiftungen in die Berechnung des Gesamtvermögens ein und sorgt somit dafür, dass diese Rechtskonstrukte nicht zur Steuerhinterziehung verwendet werden könnten. Das ist zwar ein politischer No-Brainer, aber trotzdem wichtig und damit erwähnenswert.

3. §13(2) Gibt Steuerschuldner_innen die Möglichkeit, ihre Steuerschuld vorzeitig zu entrichten und dadurch einen "Rabatt" von 5,5% pro Jahr zu bekommen. Auf den ersten Blick habe ich den Sinn dieser Regelung nicht verstanden, da davon tendenziell eher größere Vermögen profitieren, aber dann bemerkte ich, dass sowohl die Staatsverschuldung als auch die Vermögen in der 10-Jährigen Abgabenphase selbstverständlich verzinst werden. Somit ist eine frühzeitige Entrichtung der Steuerschuld prinzipiell vorteilhaft für den Staat, während sie Nachteile für die Schuldner_innen hat.
Diese Nachteile werden von der Abzinsung (zumindest teilweise) wieder ausgeglichen. Der Zinssatz ist dabei hoch genug, um die Renditeerwartungen des Kapitals ungefähr aufzuwiegen, aber dennoch nicht zum Verlustgeschäft für den Staat zu werden. Dieser refinanziert sich zwar momentan mit unter 2%, es ist aber nicht davon auszugehen, dass dieser Zinssatz im Zuge der Eurokrise in den nächsten 10 Jahren derart niedrig bleibt.

Fazit:

Die grüne Vermögensabgabe ist ein guter erster Schritt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. Sie holt die Umverteilung, die durch die Aussetzung der Vermögenssteuer (an diesem Umstand sind wir nicht ganz unschuldig) in den letzten Jahren versäumt wurde, nach und bringt dem Thema die nötige Aufmerksamkeit.
Aus linker Sicht muss man natürlich die unambitionierten Freibeträge und den etwas zu niedrigen Steuersatz kritisieren. Hier hätte ich mir mehr Mut zur Durchbrechung des neoliberalen Dogmas von der grünen Bundestagsfraktion gewünscht, wobei es auch verständlich ist, dass der gehobene Mittelstand, aus dem viele grüne Wähler_innen stammen, so kurz vor der nächsten Wahl nicht abgeschreckt werden soll.
Hier zeigt sich eine schwere realpolitische Abwägung. Die grüne Vermögensabgabe muss ambitioniert genug sein, um linke Wähler_innen zu überzeugen und den Staatshaushalt nachhaltig zu sanieren, aber vorsichtig genug, um das grüne Wähler_innenmilieu nicht zur SPD zu treiben. Denn eine große Koalition dürfte der Umverteilung in Deutschland und Europa wohl eher einen Dämpfer verpassen, als sie nachhaltig voranzutreiben. Das ist das Debakel der neoliberalen Hegemonie.

Abschließend muss noch gesagt werden, dass die Vermögensabgabe alleine natürlich noch nicht für das nötige Maß an Umverteilung sorgt, sondern von einer höheren Einkommensteuer, einer permanenten Vermögenssteuer und einer drastischen Reform der Erbschaftssteuer (aufgrund vieler Ausnahmen und exorbitant hoher Freibeträge beträgt der effektive Steuersatz momentan 1,4%) begleitet werden müssen. Ich bin gespannt, was die grüne Bundestagsfraktion in diesen Punkten anzubieten hat. Ein vielversprechender Anfang ist mit der Vermögensabgabe gemacht!

Dienstag, 11. September 2012

Fiskalpakt die Zweite

Liebe Leser_innen: der folgende Beitrag stammt aus einer grünen-internen Diskussion über den Fiskalpakt. Ich habe mich entschlossen, meinen Beitrag zur Diskussion hier auch öffentlich zu machen (von wegen Transparenz und so...). Viel Spaß beim Lesen:

"
Liebe Freund_innen,

der Fiskalpakt ist ein schwieriges Thema, zu dem es keine einfachen Antworten gibt.

Grundsätzlich ist die Idee einer Schuldenbremse durchaus richtig. Schließlich ist es der Schuldendienst bzw. Die Zinslast, die den Sozialabbau weiter vorantreibt. Der Gedanke, dass der Staat sich von Privatmenschen Geld leiht und diese durch die Verschuldung der Öffentlichkeit Gewinne machen, kann sich nur negativ auf die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft auswirken. Die "Wachstumsmaßnahmen" die in den letzten Jahrzehnten auf Druck der Märkte unter dem Deckmantel des Schuldenabbaus beschlossen wurden, mögen durch Privatisierungen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse kurzzeitig für Primärüberschüsse gesorgt haben, belasten die öffentlichen Kassen rückblickend jedoch viel stärker (man denke an die Kosten der Bankenrettung).

Der Fiskalpakt ist allerdings genau nach diesem Gusto aufgebaut. Wenn eine Volkswirtschaft ein strukturelles Defizit von über 0,5% des BIP aufweist, treten die Bestimmungen des Fiskalpaktes in Kraft. Interessant ist dabei, dass die Definitionsmacht darüber, was als "strukturelles Defizit" zu betrachten ist, vollständig in den Händen einiger Volkswirte liegt. Wenn man bedenkt, dass ein Großteil aller Volkswirte neoliberal geprägt sind, ist klar, welche Staaten ein großzügiges "konjunkturelles Defizit" aufweisen dürfen werden.

Verstößt ein Staat gegen diese Obergrenze, werden automatische Korrekturmechanismen, die durch EU-Kommission und Euro-Gipfel, zwei nicht demokratisch legitimierte Gremien (!), kontrolliert werden, in Gang gesetzt, die die "Wettbewerbsfähigkeit" der Schuldenstaaten wiederherstellen sollen. Der immanente Sozialabbau kann nur durch eine Mehrheit im EU-Parlament wieder rückgängig gemacht werden, was angesichts der neoliberalen Hegemonie in Europa in den meisten Fällen sehr unwahrscheinlich sein sollte.

Was kann man also an der Schuldenbremse verändern, damit sie sozial verträglicher wirkt?
Zum Einen muss die Definitionsmacht über "strukturelle Defizite" gebrochen werden. Stattdessen sollte man den Blick auf die laufenden Kosten richten. Somit sind Investitionen, die in Zukunft Mehreinnahmen oder weniger Ausgaben versprechen, jederzeit möglich. Wenn sich diese Investitionen nicht auszahlen, taucht dies in den nächsten Jahren im Defizit auf. Niemand kann sich also durch Nonsense-Investitionen aus der Verantwortung stehlen.
Die Maßnahmen, die durch das Vertragswerk des Fiskalpaktes gefordert werden sollten, dürfen zudem nicht dem Paradigma "Wachstum" folgen, sondern müssen die Zielvorgabe "Verteilungsgerechtigkeit" beinhalten. Das bedeutet, dass die Staaten der Eurozone anerkennen, dass die Staatsverschuldung vor allem ein Problem der Einnahmeseite sind. Hier gilt es, durch Verbesserungen der sozialen Sicherungssysteme die Binnenkonjunktur zu stärken und einzelne Länder somit weniger Abhängig vom Weltmarkt und damit vom Öl (das für den Transport von Waren benötigt wird) zu machen. Dabei müssen vor allem auch Staaten mit großen Außenhandelsüberschüssen (z.B. Deutschland), die sich destabilisierend auf die Binnenkonjunktur anderer Länder (und damit auch auf die regionale Subsistenz) auswirken, in die Verantwortung genommen werden. Schließlich sind die Schulden der Einen die Vermögen der Anderen.
Vor allem aber müssen die Einnahmen aus verteilungsintensiven Steuern (Einkommen, Vermögen, Erbschaften) deutlich erhöht werden.

Es dürfte sich als schwer herausstellen, diese steuer- und sozialpolitische Konvergenz innerhalb des nationalstaatlichen Systems herzustellen. Ein veränderter Fiskalpakt, der quasi als "Sozialpakt" wirkt, könnte jedoch ein gutes Druckmittel für soziale Verbesserungen in den Mitgliedsländern sein.
Auf lange Sicht ist es jedoch unverzichtbar, eine demokratisch legitimierte europaweite Sozial- und Finanzpolitik zu etablieren, die einen unsozialen Verdrängungswettbewerb, wie Deutschland ihn führt, unmöglich macht.
"