Gestern, am 15.6.2012, fand eine sehr interessante Diskussionsveranstaltung zum Fiskalpakt statt, an der unter Anderem Jürgen Trittin MdB und Reinhard Bütikofer MdEP teilnahmen. Es wurde schnell klar, dass die Eurokrise komplex und Lösungen schwer zu finden und noch schwerer durchzusetzen sind.
Alle Diskussionsteilnehmer_innen waren sich einig, dass der Fiskalpakt in seiner jetzigen Form nicht zustimmungsfähig ist. Zum Einen ist die demokratische Mitbestimmung im vom Pakt festgesetzten Krisengremium mehr als dürftig, zum Anderen wird der einseitige Sparkurs, der die Verursacher der Krise nicht angemessen an deren Folgen beteiligt, fortgeschrieben.
Das grüne Dilemma besteht nun darin, dass notwendige Rettungsmaßnahmen wie Eurobonds und die Finanztransaktionssteuer nur im Gegenzug zu einer Zustimmung zum Fiskalpakt ausgehandelt werden können. Die grüne Bundestagsfraktion wird am Ende dieses Verhandlungsprozesses nach meiner Einschätzung vermutlich wieder einmal ihre Zustimmung für die Pläne der Regierung geben müssen. Für die öffentliche Wahrnehmung der Partei könnte dies fatale Folgen haben. Obwohl wir Grünen höhere fiskalpolitische Kompetenz haben, gelingt es uns einmal mehr nicht, in der Öffentlichkeit als eine wirkliche linke Alternative zu den unsozialen Sparprogrammen der Regierung wahrgenommen zu werden.
Ein Aspekt des Fiskalpaktes, der von grüner Seite zu wenig kritisiert wird, ist die Zielsetzung des "nachhaltigen Wachstums", die im Vertrag mehrmals erwähnt wird. Hier liegt mein Hauptkritikpunkt an der Arbeit der europäischen Linken, die Gebetsmühlenartig das "grüne Wachstum" beschwören und fordern. Ich halte dies für einen Widerspruch in sich, da es unmöglich ist, auf einem begrenzten Planeten immer weiter zu wachsen. Schon jetzt merken wir, dass unser Wachstumswahn zum kontinuierlich schneller werdenden Zusammenbruch des weltweiten Ökosystems führt.
"Grünes Wachstum", wie es vor allem durch den "Green New Deal" propagiert wird, basiert auf der Annahme, Wirtschaftswachstum könne vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden, was jedoch bisher noch nie gelungen ist, da jeglicher Effizienzgewinn durch höheren Konsum überkompensiert wurde (Rebound-Effekt). Ich bin ein großer Befürworter von Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Diese können kurzfristig sicherlich zu einem Wirtschaftswachstum bei gleichzeitiger Erhöhung der Ressourceneffizienz führen; langfristig funktioniert dies jedoch nicht, da diese Branche nicht von der Tendenz des Fallens der allgemeinen Profitrate ausgenommen ist. Die Implikationen dieser Gesetzmäßigkeit können u.A. bei Marx nachgelesen werden. Ihre Erklärung würde den Rahmen dieses Posts sprengen.
Der "Green New Deal" ist der verzweifelte Versuch, das immer instabiler werdende kapitalistische System, das auf Verschwendung und sozialer Verelendung aufbaut, in ökologische Bahnen zu lenken. Dieser Versuch wird meiner Ansicht nach krachend an der Natur des Systems scheitern. Wachstum lässt sich bereits jetzt nur durch ausufernde Finanzmärkte, starken Sozialabbau und geplante Obsoleszenz realisieren. Dass auch die grüne Branche diesem Trend nicht entkommen wird, stellen manche progressive Ökonomen wie Niko Paech eindrucksvoll dar.
Ich denke, dass es an der Zeit ist, grüne Alternativen zum kapitalistischen Wachstumszwang zu entwickeln, anstatt Rettungsversuche für selbigen zu initiieren. Der grüne Landesverband Niedersachsen geht hier mit gutem Beispiel voran und fordert im Wahlprogramm zur nächsten Landtagswahl eine Re-evaluierung des BIP als wichtigsten Wohlstandindikator. Diese Neubewertung wird höchste Zeit, da das BIP an Irrelevanz kaum zu überbieten ist. So hat zum Beispiel die Katastrophe am Golf von Mexico hat das BIP der USA erhöht, da Aufräumarbeiten bezahlt werden mussten. Zu behaupten, dass dieses Ereignis den Wohlstand des Landes vergrößert habe, ist jedoch mehr als verrückt.
Ich hoffe, dass die Diskussion über das BIP auch die Diskussion über die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise anstößt, denn ein Systemwechsel ist der einzige Weg, den Raubbau an Natur und Menschen nachhaltig zu beenden.
Samstag, 16. Juni 2012
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