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Sonntag, 8. Dezember 2013

Texte auf anderen Webseiten

In den letzten Monaten habe ich vergleichsweise wenig auf diesem Blog geschrieben. Das lag jedoch nicht daran, dass ich schreibfaul war. Stattdessen habe ich viele Texte auf anderen Seiten oder für andere Medien verfasst. Die Texte, welche Online verfügbar sind, liste ich nun in diesem Dokument (ungeordnet) auf:

Das bedingungslose Grundeinkommen – Beginn der grünen Wachstumswende

Gleichheit ist für alle da!

Die europäische Vermögensabgabe

Grundwasser als Commons: Eine Alternative zu Markt und Zentralstaat (auch in englisch verfügbar)

Couple wages – reduce wage inequality!

Beitrag zum Grünen Bundestagswahlprogramm auf Grün.links.denken

Außerdem habe ich in den vergangenen Monaten einige Videos auf meinem Youtube-Kanal gepostet.

Viel Spaß beim Lesen und Schauen!

Donnerstag, 7. November 2013

"Ökozid" mit Haftstrafen beenden? Nicht mit mir!

Die Europäische Bürger*inneninitiative "End Ecocide" wird von anerkannten Persönlichkeiten unterstützt und derzeit häufig in Grünen Kontexten verbreitet. Während die Mehrheit der Äußerungen unterstützend waren, kann ich der EBI nicht meine Stimme geben. Um meine Position zum Thema auszudrücken, habe ich diesen, aus meiner Sicht sehr pointierten und zutreffenden, Blogpost von Alexander Nabert geteilt. Dabei bin ich häufig auf Unverständnis beziehungsweise harsche Ablehnung gestoßen.

Der Gegenwind bezog sich zumeist auf die Kritik am Begriff "Ökozid". Mir (und Alex) wurde vorgeworfen, dass ich eine eigentlich unterstützenswerte Alternative durch den Bezug auf eine unglückliche Begriffswahl diskreditiere. Dabei geriet der zweite Teil von Alex' Kritik ins Hintertreffen, obwohl er aus meiner Sicht viel entscheidender für die Ablehnung der EBI ist. Oder um es anders zu formulieren: der Begriff "Ökozid" ist aus historischen Gründen unmöglich, die Initiative wäre allerdings auch mit einem anderen Titel nicht unterstützungswürdig.

Meine inhaltliche Kritik am Aufruf werde ich im Folgenden durch eine Entgegnung auf drei Argumente, die in der Debatte immer wieder aufkamen, darlegen. Die Argumente stammen von den wenigen Menschen, welche sich sachlich und konstruktiv mit dem zweiten Teil der Argumentation ("es ist eine Systemfrage") auseinandergesetzt haben. Ebenso freue ich mich über konstruktive, sachliche und gerne auch kontroverse Kommentare zu diesem Post.

Die Frage der Verantwortung

Ein beliebtes Argument gegen Verweise auf systematische Zwänge lautet in leichten Variationen folgendermaßen: "Wer die Initiative mit Verweis auf die Systemfrage ablehnt, bietet Umweltsünder*innen die Möglichkeit, sich auf Sachzwänge zurückzuziehen ohne persönliche Verantwortung zu übernehmen."
Das Argument ist besonders interessant, weil es die Frage der "Verantwortung" aufgreift. Genau hier setzt auch meine Kritik an der Initiative an. Sie suggeriert, Umweltzerstörungen lägen in der direkten Verantwortung "der Entscheidungsträger". Während Kritik an der überhöhten politischen Gestaltungsmöglichkeit ökonomischer Eliten durchaus berechtigt ist, stellt sich die Frage, wer diese Macht zu verantworten hat. Die Antwort sollte in einer Demokratie lauten: Wir alle!

Wir sind es, die Naturzerstörung profitabel machen. Wir sind das System, das Profitstreben vor Gemeinwohl stellt. Wir alle reproduzieren die Denkstrukturen, die uns im jetzigen Wirtschaftssystem festhalten.
Die wichtigste kapitalistische Denkstruktur ist die Konkurrenz. Da alle Firmen auf dem Markt bestehen müssen, um nicht pleite zu gehen, müssen sie möglichst günstig produzieren. Sie brauchen deshalb Kapital, um sich die neusten Technologien leisten zu können. Ergo müssen sie wachsen. Firmen, die dem Wettbewerb nicht standhalten können, werden in kürzester Zeit durch Mitbewerber*innen geschluckt. Wie fragil das Überleben eines Unternehmens ist, lässt sich daran erkennen, welche großen Börsenturbulenzen selbst ein kleinster Quartalsverlust auslösen kann.

Die im letzten Absatz gegebene Charakterisierung der Kapitalanhäufung ist natürlich unterkomplex, da dieser Blogpost keine Einführung in die Kapitalismuskritik sein soll (hier verweise ich lieber auf die zahllosen Zusammenfassungen des Werkes "Das Kapital"). Ich wollte lediglich verdeutlichen, warum ein Unternehmen stets im Überlebenskampf existiert. Dieser stellt die vermeintlich so wichtigen "Entscheidungsträger*innen" ständig vor die Wahl: "Nehme ich Zerstörungen der Natur in Kauf, oder gefährde ich die Arbeitsplätze in meinem Unternehmen." Eine freie Wahl, sich ethisch gegen jede ökonomische Vernunft zu verhalten, sehe ich hier schlichtweg nicht.

Natürlich gibt es auch Unternehmen, die ökologisch nachhaltiger arbeiten. Sie können jedoch auch nur deshalb überleben, weil sich ihre Kund*innen wider der ökonomischen Vernunft verhalten und teure Produkte kaufen. In diesem Moment befinden wir uns in einer Kollektivverantwortung. Die ganze Gesellschaft bestimmt, welche Produkte nachgefragt werden. Vor Allem bestimmt die Gesellschaft auch, dass Umweltzerstörung von Konzernen ökonomisch rational bleibt und sich nicht alle Menschen nachhaltige Produkte leisten können. Hier liegt der Ansatzpunkt für eine politische Debatte.

Die Fokussierung auf die persönliche Schuld der "Entscheidungsträger" verschleiert die Verantwortung der breiten Masse. Überlegungen zum eigenen Lebensstil und wichtigen Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur werden durch die Dämonisierung eines anonymisierten Feindes vermieden. Die einfache Erklärung, nur die "Entscheidungsträger" hätten falsch gehandelt, führt zu der einfachen Lösung: Wir müssen DIE wegsperren, um zur "wahren Demokratie" zu gelangen. Untermauert wird dieser Appell im Kampagnenvideo durch emotionalisierende Bilder. Eines darunter stammt vermutlich von einer Occupy-Demonstration und zeigt ein Schild mit der Aufschrift "We are the 99%".

Spätestens hier sollten die Alarmglocken schallen. Wieder einmal wird das oberste Prozent der Einkommensverteilung -sprich, das "globale Finanzkapital"- für die Verfehlungen eines Wirtschaftssystemes verantwortlich gemacht. Zusammen mit der Suggestion, es gäbe momentan keine "wahre Demokratie" wird klar, dass die Initiative verschwörerische, dunkle Kräfte am Werk sieht. Diese Haltung ist höchstgefährlich und hat historisch zu großen Verbrechen geführt. Der Begriff "Ökozid" ist auch vor diesem Hintergrund geradezu zynisch oder zumindest stark geschichtsvergessen.

Nur für Akademiker*innen?

Ein weiteres Gegenargument ist, dass man von abgehobenen Diskursen über das kapitalistische System wegkommen muss und stattdessen die pragmatischen Chancen der Initiative sehen sollte. Ich hoffe, im Bezug auf das letzte Argument deutlich gemacht zu haben, warum die Umsetzung der EBI keine Vorteile bringen würde. In einer Welt, die Menschen dafür bestraft, dass sie ihrer Aufgabe (in diesem Fall die Maximierung des Profits) nachgehen, möchte ich nicht leben. Genau so wenig möchte ich in einer Welt leben, in der das Versagen demokratischer Gesetze "dunklen Mächten" untergeschoben wird, um von der eigenen Verantwortung abzulenken.

Auch ökologisch brächte die Initiative keinerlei Vorteile. Ganz davon abgesehen, dass eine Verfolgung von "Ökosündern" global nicht ohne größte internationale Spannungen zu leisten wären, hätte die Bestrafung des einen "Entscheidungsträgers" lediglich seine*ihre Ersetzung durch eine*n Andere*n zur Folge. Solange wir im Kapitalismus leben, werden Unternehmen immer ihren Profit maximieren müssen und sich dafür die richtigen Führungspersönlichkeiten und/oder Kapitalgeber*innen suchen. Deren unökologische Entscheidungen folgen unmittelbar aus wirtschaftlicher Vernunft und können nicht durch die Androhung von Haftstrafen, sondern nur durch systematische Veränderungen verändert werden.

Eine Auseinandersetzung mit komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen ist schwierig und kann zuweilen auch anstrengend sein. Die Verkürzung der notwendigen Reformen auf eine populistische Hetzjagd kann jedoch keine Alternative darstellen.

Sozialismus ist genau so schlimm

Die Standardentgegnung auf jegliches antikapitalistisches Argument ist: "Im Sozialismus war das aber auch nicht besser!". Dabei wird die "sozialistische" Planwirtschaft unter Stalin und co. als die einzige Alternative zum marktwirtschaftlichen Kapitalismus gesehen. Doch der Kapitalismus ist ein weltweites Wirtschaftssystem. Es kann nicht von einzelnen Staaten überwunden werden, solange diese noch in Konkurrenz miteinander stehen. Deshalb waren auch die Länder des so genannten "real existierenden Sozialismus" kapitalistische Staaten. Sie mussten ihre Produktion für den Außenhandel wettbewerbsfähig machen und zerstörten die Umwelt zu diesem Zweck auch im großen Maßstab. Sie agierten also gewissermaßen wie ein großer Konzern.

Nur die allerwenigsten, die sich heute als antikapitalistisch bezeichnen, möchten zurück in die Planwirtschaft. Noch weniger möchten zurück in die Diktatur unter Stalin oder Mao. Wenn ich heute gefragt werde, wie denn ein System abseits vom Kapitalismus konkret aussieht, kann ich nur sagen: "ich weiß es nicht.". Alternativen zum zerstörerischen Wirtschaften der heutigen Zeit können wir nur in einem emanzipatorischen Prozess entwickeln. Die Aufbringung einzelner gesellschaftlicher Gruppen gegeneinander hilft diesem Anliegen in keinster Weise. Sie ist antiemanzipatorisch!