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Dienstag, 24. Juli 2012

Green Economy und Wachstumswende

Ich will meinen Blogleser_innen meinen Kommentar zu diesem Text nicht vorenthalten. In ihm spreche ich über das Zinssystem und die Notwendigkeit einer Wachstumswende. Ich würde mich wie immer sehr über Kommentare und Rückmeldungen freuen, da ich die wirtschaftliche Weisheit natürlich nicht mit Löffeln gefressen habe und auf neue Anregungen angewiesen bin.



Ein Großteil des Akzeptanzproblems, unter dem die "Green Economy" und die darunter verstandenen Effizienzsteigerungen momentan leiden, kommt von der Ignoranz systemischer Konstruktionsfehler unseres Wirtschaftssystem, die durch dieses "Greenwashing" der Wirtschaft unter den Teppich gekehrt werden sollen.

So ist das ständige Wachsen der Wirtschaft inzwischen auch von uns Grünen als eines der Hauptimperative politischen Handelns übernommen wurden, obwohl eine wirkliche Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch, wie von Barbara schon richtig ausgeführt, im Moment nicht mehr als eine bloße Spekulation ist. Dabei will ich nicht falsch verstanden werden. Natürlich ist es wichtig und gut, dass die Politik Anreize für Effizienzgewinne setzt. Ob damit die ökologischen Probleme unserer Zeit vollständig zu beseitigen sind, ist mehr als fraglich. Schließlich ist das in unserem Wirtschaftssystem strukturell verankerte Wachstum ein exponentielles Wachstum. Während kleinere Volkswirtschaften auch heutzutage kein Problem haben, 10% Wirtschaftswachstum zu erreichen, sinken die Wachstumsraten in den großen Industrieländern ständig – mit fatalen Folgen für das soziale Gefüge.

Wir befinden uns im "goldenen Zeitalter", dass Keynes schon 1943 vorraussah. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die Konsumbedürfnisse der Menschen in unserem Land weitesgehend befriedigt sind. (Der World Happiness Report, der dieses Jahr zum ersten Mal erschien verzeichnete eine Steigerung des deutschen BIP um 60% zwischen 1973 und 2003, während das individuelle Glücksniveau im selben Zeitraum um 10% sank)

Nun fragt sich der ökonomische Laie, warum es trotz einer solchen Nachfragesättigung so viel Armut in dieser Gesellschaft gibt. Dieses hat systemische Gründe: Ein Unternehmen, dass investieren will, muss dies über Kreditaufnahme tun (Eigenkapital ist in vorherigen Wirtschaftsaktivitäten von Menschen oder Unternehmen bereitgestellt worden, die es auch ursprünglich über Geldschöpfung erhalten haben, weswegen dieser Unterschied gesamtwirtschaftlich vernachlässigt werden kann). Der auf den Kredit anfallende Zins stellt die Mindestprofitrate dar, die das Unternehmen erwirtschaften muss, damit die Investition profitabel bleibt. Es gibt dafür zwei Möglichkeiten. Zum Einen ist es möglich, dass das Unternehmen die kosten für das Kapital über höhere Preise an die Kund_innen weitergibt (mit der Folge, dass die soziale Ungleichheit weiter wächst), zum Anderen kann das Unternehmen darauf hoffen, dass andere Unternehmen ihrerseits Kredite aufnehmen, die neue Nachfrage schaffen.
Der Sachzwang, dass die Wirtschaft entweder wächst, oder unsozialer wird, lässt sich so erklären. Wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst, können Zinsen nicht mehr zurückbezahlt werden, Banken gehen Pleite und die Nachfrage bricht weiter ein. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der eine stabile Wirtschaft in unserem Geldsystem unmöglich macht. Es existieren nur die Zustände "wachsen" und "schrumpfen", die beide katastrophale soziale Folgen haben.

Dabei ist das Zinssystem keineswegs der alleinige Grund für diesen Zustand. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit klarstellen, bevor ich zu den Geldkritikern, die dahinter eine jüdische Verschwörung der Banken zur Übernahme der Weltherrschaft sehen, gestellt werde. Diese einseitige Fixierung auf das Bankensystem ist eine verkürzte Kritik und somit nicht geeignet, die systemischen Ursachen des Wachstumszwanges zu erklären.
Vielmehr ist das jetzige Banken- und Zinssystem ein Werkzeug der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die aufgrund der Tendenz der fallenden Profitrate (siehe Marx) immer mehr Festkapital pro Arbeiter_in braucht und ohne ständige Finanzierung auf Pump schon längst an ihre ökologischen Grenzen gestoßen wäre. Die Tatsache, dass Zins und Zinseszins inzwischen einen großen Teil der öffentlichen und privaten Ausgaben und damit einen Hauptgrund für die Eurokrise ausmachen, war von ihren Erfinder_innen sicherlich nicht geplant, lässt sich aber schwer verleugnen.

Ich möchte an alle Grünen, insbesondere die Grüne Linke, appelieren, nicht in unrealistischen Technologieoptimismus zu verfallen. Ich will damit nicht ausschließen, dass große technologische Revolutionen die Lösung für einige unser Probleme liefern, aber wenn sie das nicht tun, wonach es momentan aussieht, sollten wir schnellstmöglich Lösungen entwickeln, um den Wachstumszwang zu überwinden, wenn wir diese Erde weiterhin bewohnen wollen, ohne unseren Kindern eine gigantische Müllhalde zu hinterlassen.

Für eine weitere Vertiefung dieser Thematik möchte ich euch das Buch "Wirtschaft ohne Wachstum?!" der Uni Freiburg empfehlen, welches ich selber gerade durcharbeite. Außerdem sollte jede_r einmal die Arte-Doku "Kaufen für die Müllhalde" gesehen haben, die von dem "geplanten Verschleiß" von Gütern handelt, der meiner Meinung nach eine der größten Perversionen des Wachstumsdogmas ist.